Der philosophische Glaube / der Offenbarungsglaube

Der Begriff des Glaubens

„Glaube ist nicht ein Wissen von etwas, das ich habe, sondern die Gewißheit, die mich führt. Durch Glauben lebe ich aus dem Ursprung, der in gedachten Glaubensinhalten zu mir spricht. Untrennbar ist der Glaube, durch den ich glaube, und der Glaubensinhalt, den ich mir vorstelle. Subjekt und Objekt des Glaubens sind eins. Glaubend zu leben und glaubend an etwas zu leben sind nur miteinander möglich. Glaube ich, so will ich den Glaubensinhalt denken. Will ich aber den Glaubensinhalt nicht nur denken, sondern als Wissensbesitz in Dogmen und Bekenntnissen haben, der mir zur Verfügung steht, gleichgültig, was ich selber bin, dann soll er mir die Gewißheit als Sicherheit geben, ohne daß aus mir selbst der Ursprung des Glaubens entgegenkommt. Daher kann ich, vor der Transzendenz und mir selbst versagend, glaubenslos im Willen zum Glauben, in der Angst des Auf-mich-selbst-Angewiesenseins mit den anderen gemeinschaftlich, durch Gemeinschaft getragen und gesichert, »glauben«, was wir als Glaubensinhalt bekennen. Glaube kann nicht durch einen Gedanken erzwungen, auch nicht als bloßer Inhalt angegeben und mitgeteilt werden. Glaube ist die Kraft, in der ich mir gewiß bin aus einem Grunde, den ich wohl bewahren, aber nicht herstellen kann. Glaube kann das Umgreifende heißen, das Ganze, das unerschütterlich ist, erschüttert erst, wenn die eine Seite, bloß die des glaubenden Subjekts oder bloß die des geglaubten Objekts, für sich genommen wird.

Glaube ist der Grund vor aller Erkenntnis. Er wird im Erkennen hell, aber nie bewiesen.“ 

(Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, 2. Aufl. 1963, S. 49f.)

 

Der christliche Offenbarungsglauben

„Es gibt nur einen Glauben und nur eine Offenbarung, die einzige Offenbarung, die durch das Wort der Bibel und die Tradition bezeugt ist. Für diesen Glauben ist die historische Betrachtung verschiedener Offenbarungsansprüche nicht maßgebend. Er erhebt den Wahrheitsanspruch eines keinen religionsgeschichtlichen, religionsphilosophischen, religionspsychologischen Kategorien Zugehörenden. Die Offenbarung fällt aus ihnen allen heraus, steht zu allem Denkbaren, Vergleichbaren, Allgemeinen und mehrfach Vorkommenden gleichsam quer. Die Offenbarung gibt es nicht als Realität, die untersuchbar wäre. Sie kann auf eine selber unbegreifliche Weise gehört und dann vom Hörenden bezeugt werden auf eine Weise, die keine Verwandtschaft mit irgendeinem andern Zeugnis hat. Wenn aber doch von der christlichen Offenbarung gesprochen wird, muß es unumgänglich sogleich in allgemeinen Kategorien getan werden. Wird die Einzigkeit und Ausschließlichkeit der christlichen Offenbarung im Reden von ihr beansprucht, so muß sie durch Gedanken eines Allgemeinen begründet werden. Das geschieht in der Propaganda des Glaubens für Menschen, die die Einzigkeit noch nicht hören. Die Glaubenden verkündigen nicht nur, sondern wollen überreden, Wege führen, auf denen man dieses Einzigen ansichtig werden soll. Dann ist die Rede von den spezifischen Charakteren, die das Christentum von allen anderen Religionen unterscheiden.“

(Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, S. 50)

 

Der philosophische Glaube

„Denn Philosophie macht nicht, wie der Offenbarungsglaube, Propaganda, sondern läßt jeden Menschen als ihn selbst in seinem Entschlusse frei. Die Philosophie verkündet nicht und überredet nicht. In der Philosophie treffen sich freie Menschen als Schicksalsgefährten. Daß mein Philosophieren zum Offenbarungsglauben führen solle, ist ganz und gar nicht meine Absicht. Ich selber kann nicht anders als mit Kant denken: Wäre Offenbarung Realität, so wäre sie das Unheil für die geschaffene Freiheit des Menschen.

Trotzdem will ich kein Denken, das am Ende eine Offenbarung ausschließt – wenn es mir auch unmöglich scheint, daß ich sie je glauben könnte. Der philosophische Glaube ist eigener Ursprung. Aber er läßt Offenbarung als Möglichkeit für andere gelten, obgleich er sie nicht verstehen kann. Er will nicht Feindschaft, sondern Redlichkeit, will nicht Abbruch, sondern Kommunikation, will nicht Gewalt, sondern Liberalität.“

(Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, S. 37f.)

 

Zur Schrift »Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung«

„Diese Schrift möchte aus dem Ursprung philosophischen Glaubens sprechen, der lebendig ist, seitdem Menschen denken. Sie möchte bezeugen, daß der Verlust des Offenbarungsglaubens keineswegs die immer neue Aneignung des unersetzlichen Wahrheitsgehaltes der Bibel ausschließt. Vielmehr steht in der Situation unserer Tage die Verwandlung der biblischen Religion für uns Abendländer, der anderen Religionen für deren Gläubige, der Philosophie für alle, fast greifbar vor Augen. Der Titel dieser Schrift lautet: »Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung«; sollten beide für immer unvereinbar sein, so spreche ich von der einen Seite her, aber von der anderen betroffen. Der Titel »Philosophischer Glaube und Offenbarung« wäre ungemäß. Denn er würde einen überlegenen Standpunkt außerhalb beider beanspruchen, den ich nicht einnehme. Sollten aber philosophischer Glaube und Offenbarungsglaube sich treffen können, ohne in eins zusammenzufallen, so möchte ich zu denken versuchen, was dieser Möglichkeit hilft.“

(Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, 2. Aufl. 1963, S. 8)

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