Existenzphilosophie

Mit der 1919 erschienenen „Psychologie der Weltanschauungen“ vollzog Jaspers den entscheidenden Schritt zur Existenzphilosophie (Jaspers über den sog. Existentialismus). Vordergründig blieb er noch der wissenschaftlichen Haltung verpflichtet, die er in der „Allgemeinen Psychopathologie“ eingenommen hatte, indem er in unvoreingenommener Betrachtung die treibenden Kräfte und letzten Positionen der Seele zu klären suchte. Doch ohne es zu merken, hatte er inzwischen die Beobachterperspektive des Wissenschaftlers mit der Teilnehmerperspektive des Philosophen vertauscht. Wie ihm erst später bewusst wurde, entsprang das Buch letztlich seinem Bedürfnis nach Orientierung im Leben. Die verschiedenen Weltanschauungen waren keine blossen Phänomene, die es trennscharf zu beschreiben galt, sondern Möglichkeiten konkreten Existierens, die vergewissert werden wollten.

Als Jaspers 1922 einen Lehrstuhl für Philosophie erhielt, unternahm er den gross angelegten Versuch, diesen existenziellen Impuls philosophisch zu systematisieren. Resultat jener Jahre, in denen er kaum etwas veröffentlichte, war die 1932 erschienene „Philosophie“ in drei Bänden. Jaspers verstand es, die existenzielle Frage möglichen Selbstseins im Rahmen der philosophischen Frage nach dem Sein überhaupt zu entfalten. Auf diese Weise konnte er ausschliessen, dass die Realisierung möglichen Selbstseins als blosse Selbstverwirklichung im technischen Sinne, als schöpferische Herstellung seiner selbst missverstanden wurde. Sie hatte vielmehr eine transzendente Dimension, indem sie von der „Philosophischen Weltorientierung“ (Bd. 1) über die „Existenzerhellung“ (Bd. 2) zur „Metaphysik“ (Bd. 3) führte, in der Überzeugung, dass Existenz nicht ohne Transzendenz ist.

Zentrale Momente dieser Bewegung waren einerseits die Grenzsituationen, deren Begriff Jaspers bereits in der „Psychologie der Weltanschauungen“ geprägt hatte, andererseits die Kommunikation, deren Begriff erstmals in der „Philosophie“ breit entfaltet wurde. Grenzsituationen sind die unhintergehbaren Situationen wie Leiden, Tod, Kampf und Schuld, in denen der Mensch im blossen Dasein jeden Halt verliert. Kommunikation ist die Gegenmöglichkeit, im Absoluten des Mitseins existenziellen Halt zu finden. Mit seiner Existenzphilosophie wollte Jaspers an Möglichkeiten appellieren, die im Handeln Wirklichkeit werden können.

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