Max Weber

Gesammelte Schriften

In diesem 1988 erschienen Sammelband mit drei Schriften, die Jaspers über Max Weber im Verlaufe seines Lebens geschrieben hat, sind abgedruckt:

(1.) Die Gedenkrede, die Jaspers nach dem Tod von Weber anlässlich einer von der Heidelberger Studentenschaft am 17. Juli 1920 veranstalteten Trauerfeier gehalten hat.

(2.) Die Schrift Max Weber. Politiker – Forscher – Philosoph aus dem Jahr 1932, wo Jaspers Weber in der dreifachen Rolle als Politiker, Forscher und Philosoph darstellt. Diese Schrift erschien ursprünglich als Buch unter dem Titel Max Weber. Deutsches Wesen im politischen Denken, im Forschen und Philosophieren (Oldenburg 1932); nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in einer weiteren Auflage unter dem geänderten Titel Max Weber. Politiker, Forscher, Philosoph (München 1958) heraus. Im Vorwort dieser späteren Auflage erklärt Jaspers den Gebrauch der Wortverwendung „deutsches Wesen“ in der ersten Auflage als Oppositionshaltung gegen die damalige Mystifizierung des „deutschen Wesens“ durch den Nationalsozialismus (vgl. XX).

(3.) Ein Artikel, den Jaspers für eine Festschrift für Edgar Salin verfasste und der dort 1962 mit dem Titel „Bemerkungen zu Max Webers politischem Denken“ erschien. Dieser Artikel wurde 1968 auch in Jaspersʼ Sammelbänden Hoffnung und Sorge sowie Aneignung und Polemik. Gesammelte Reden und Aufsätze zur Geschichte der Philosophie wieder publiziert.

Max Weber war für Jaspers sowohl als Persönlichkeit als auch als Gelehrter und Forscher die längste Zeit seines Lebens das zentrale Vorbild. Im Manuskript einer Vorlesung, die er über „Philosophie der Gegenwart“ im WS 1960/61 gehalten hat, bezeichnet Jaspers Weber zusammen mit Albert Einstein als bedeutendsten Philosophen der Gegenwart. Dort findet sich auch folgendes persönliche Eingeständnis: „Mir ist Max Weber als der eigentliche Philosoph der Zeit erschienen, der Philosoph, der seine Philosophie nicht direkt aussprach, aber aus ihr lebte und dachte […]. Für mich kann ich nur hinweisen auf die Kontinuität dieses Blicks in mir seit 50 Jahren – darauf, daß mein Philosophieren all die Jahre nicht ohne Denken an Max Weber geschah, – in der Frage: was würde er sagen? – in der Zueigenmachung seiner Grundposition – nicht auf dem Wege, seine Soziologie und soziologische Forschung fortzusetzen, sondern auf dem, dieses Philosophieren bewußt zu machen. Seit 1909 stehe ich unter seinem Einfluß.“ [(K. Jaspers: Die großen Philosophen. Nachlaß 1. 641-42). Den prägenden Einfluss von Weber auf Jaspers betonen u. a. auch Raymond Aron (vgl. „Karl Jaspers und die Politik“, in: Karl Jaspers. Philosoph, Arzt, politischer Denker, 59-76) und Dieter Henrich (vgl. „Denken im Blick auf Max Weber. Eine Einführung“, in: K. Jaspers: Max Weber. Gesammelte Schriften. München, Zürich 1988, 7-31)].

Jaspersʼ Wertschätzung für Weber ging so weit, dass er ihn als den „geistig größten Mann unseres Zeitalters“ und als „Galilei der Geisteswissenschaften“ bezeichnet hat. [Vgl. K. Jaspers: „Ein Selbstporträt (1966/67)“, in: ders.: Schicksal und Wille, 33].

Weber spielte in der akademischen Karriere von Jaspers auch deshalb eine wichtige Rolle, weil er mit einem Gutachten dazu beitrug, dass sich Jaspers an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg mit dem methodologischen Lehrbuch Allgemeine Psychopathologie (1913) für Psychologie habilitieren konnte. Bei fallweisen Besuchen im sogenannten „Weber-Kreis“ in Heidelberg wurde Jaspers mit prominenten Gelehrten und Wissenschaftlern seiner Zeit (Georg Simmel, Emil Lask, Gustav Radbruch, Ernst Troeltsch u. a.) bekannt.

In Jaspersʼ Nachlass finden sich auch Bemerkungen über Webers psychische Krankheit. Dies weist darauf hin, wie gross Jaspersʼ Interesse an der Gesamtpersönlichkeit Webers war, nicht zuletzt auch als Psychiater. Er diagnostizierte dessen psychischen Probleme nicht als organische Geisteskrankheit, sondern als eine neurologisch bedingte, „heilbare funktionelle, unberechenbar, in Schwankungen, verlaufende“ psychische Störung. [Vgl. K. Jaspers: Die großen Philosophen Nachlass 1, 649. Zu Webers Krankheit vgl. auch die Monographie von Webers Frau Marianne Weber: Max Weber. Ein Lebensbild (Tübingen 1926) 247-272, 368-69, 418].

Die uneingeschränkte Bewunderung und Wertschätzung der Persönlichkeit Webers wurde allerdings beeinträchtigt, als Jaspers 1967 Liebesbriefe an Else Jaffé zu lesen bekam, die Weber geschrieben hatte. Die Verheimlichung der Liebesbeziehung zu Else Jaffé vor der Ehefrau Marianne erschütterte Jaspersʼ Glauben an die „grenzenlose Redlichkeit“ seines bisherigen grossen Vorbildes in erheblichem Masse. [Vgl. dazu: Dieter Henrich: a. a. O., 24-27; Renato de Rosa: Politische Akzente im Leben eines Philosophen. Karl Jaspers in Heidelberg 1901-1946, in: Nachwort zu: Karl Jaspers: Die Erneuerung der Universität. Reden und Schriften 1945/46, hg. von Renato de Rosa (Heidelberg 1986) 328].

In Jaspersʼ Charakterisierung der Persönlichkeit und des Denkens von Max Weber wird auf viele Denkhaltungen und Denkmotive Bezug genommen, die für Jaspersʼ eigene Denkweise und Auffassungen charakteristisch sind. So etwa die Betonung eines „konstruktiven“ und „systematischen“ Denkstils im Gegensatz zu einem Denken in „starren Systemen“ (34). Auch Jaspers wollte sein Philosophieren über die menschliche Existenz als Durchdenken (bzw. „Erhellen“) von „Möglichkeiten“ in einer „offen zu haltenden Systematik“ verstanden wissen und nicht als ein Systemdenken. Wenn Jaspers Weber als einen „politischen Schriftsteller“ (im Unterschied zum nach Macht strebenden Politiker) charakterisiert (53/54), so wollte sich Jaspers mit seinen politischen Schriften, die er nach dem Zweiten Weltkrieg verfasste, ebenfalls als „politischer Schriftsteller“ verstanden wissen. Auch die Hervorhebung von moralischen Grundhaltungen, wie etwa eines „tiefen Ernstes“ und einer „tiefen Wahrhaftigkeit“ (45, 53, 122) bei Weber, finden sich an vielen Stellen bei Jaspers wieder, wo die moralischen Hintergrundprinzipien seiner Philosophie offensichtlich werden. Als Beispiel dafür sei etwa die Charakterisierung des Ideals eines „vernünftigen Staatsmannes“ in seinem Hauptwerk zur politischen Philosophie, dem Buch Die Atombombe und die Zukunft des Menschen von 1958, genannt. Wenn Jaspers Webers Aversion gegen „Ganzheits-“ und „Totalitäts-Ideen“ würdigt, kommt dabei sein eigener Standpunkt zum Ausdruck, von dem aus er in seiner Existenzphilosophie „totalistische“ Menschenbilder, in seiner Geschichtsphilosophie „totalistische“ Geschichtsdeutungen (etwa von Hegel und Marx) und in seiner politischen Philosophie „totalitäre“ Weltanschauungen und Ideologien scharf kritisiert hat. Auch der enge Zusammenhang von Vernunft und persönlicher Verantwortlichkeit, den Weber vor allem in seiner Schrift Politik als Beruf, auf die sich Jaspers öfters bezieht, nachdrücklich akzentuiert hat, stellt eine Grundthese von Jaspers selber dar. Dass das Prinzip der Wertfreiheit der Wissenschaft, wie es Weber in der Schrift Wissenschaft als Beruf exemplarisch vor Augen gestellt hat, von Jaspers mit den bei Weber damit eng verbundenen moralischen Postulaten (z. B. intellektuelle Redlichkeit bzw. „Wahrhaftigkeit“) voll akzeptiert und in sein eigenes Wissenschaftsverständnis übernommen wurde, zeigen nicht nur die vielen Abgrenzungsversuche, die Jaspers in seinen Werken zwischen Wissenschaft und Philosophie vorgenommen hat. Dies wird auch aus Jaspersʼ differenziertem Rekonstruktionsversuch der Grundabsichten deutlich (86ff., 120ff.), die Weber zur Formulierung dieses Prinzips veranlasst haben.

K. Jaspers: Max Weber. Gesammelte Schriften. Mit einer Einführung von Dieter Henrich. München/Zürich: R. Piper GmbH & Co. KG 1988.

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